Die Königin der Beerenzunft
Wenn der Sommer naht, geht das (Erdbeer-)Herz auf - Gesundheits- und Zubereitungstipps, Magisches und Historisches zur beliebten Frucht.
Süß und saftig, leuchtend rot und »sommersprossig« - so verführen Erdbeeren zum erfrischenden Vitamingenuss. Nicht umsonst stehen sie, gleich nach dem Apfel, bei uns ganz oben auf der Hitliste der beliebtesten Obstsorten. Sogar der sonst eher etwas vitaminmuffelige Nachwuchs verzehrt die süßen roten Dinger mit auffallender Begeisterung.
Und was man nicht alles Köstliches mit ihnen anstellen kann! Von der Erdbeertorte über die selbst eingekochte Marmelade bis hin zum Erdbeersorbet oder Rumtopf .... Besonders gut schmecken Erdbeeren zusammen mit Milchprodukten, Rhabarber und Apfel, aber auch, etwas extravaganter, mit Avocado oder Spargel angerichtet. Schlemmer setzen der Beerenkönigin gern noch die Krone auf, indem sie sie mit Zucker und Sahne verfeinern oder zum Eis, in Soufflés oder Mousses, in der Bowle oder ins Schokolade-Fondue getaucht genießen. Und als Dekoration machen sie aus jedem Gericht eine Augenweide.
Gesundheit: die Kurbeere
Wahre Gesundheitsbomben sind Erdbeeren jedoch vor allem dann, wenn man sie einfach nur möglichst oft ganz frisch und unbehandelt verzehrt. Ein Schälchen Erdbeeren (500 g) hat nur rund 165 Kalorien. Dafür aber mehr Vitamin C als die gleiche Menge Orangen oder Zitronen (300 mg) sowie einen überdurchschnittlichen Gehalt an Riboflavin (B2) und dem Gute-Laune-Vitamin Folsäure, das zu mehr Optimismus und Gelassenheit, innerer Ruhe und gutem Schlaf verhilft.
Vor allem die gelblichen, auf dem Fruchtfleisch sitzenden Samen, die der Erdbeere ihr lustig getupftes Aussehen geben, enthalten zudem viel Eisen, Kalium, Mangan, Kalzium, Magnesium und andere wichtige Mineralien. Eine Besonderheit dieses fruchtigen und ballaststoffreichen Fitmachers ist die entgiftende, krebshemmende Ellagsäure, die nur in wenigen anderen Obstsorten enthalten ist.
- Kalorienarmer 'Genuss ohne Reue'
- Entschlackung und Entwässerung
- Schwung und gute Laune statt Nervosität, Müdigkeit und Lustlosigkeit
- Erhöhte Abwehrkraft gegen Infektionen
- Regulierung des Cholesterinspiegels
- Stabilisierung der Darmflora
- Vorbeugend gegen Krebs, Thrombosen und Infarkte
- Hilfreich bei Blutarmut, Bluthochdruck und Gicht, Haarausfall und Ergrauen ...
... das Wellness-Programm, das Sie mit dem üppigen Genuss von frischen Erdbeeren durchlaufen, kann sich wirklich sehen lassen!
Wie wäre es also mit einer kleinen Erdbeer-Kur – nicht nur für die Bikinifigur? Nehmen Sie einfach die ganze Saison hindurch täglich ein 500g-Körbchen zu sich, am besten, indem Sie die frischen Früchte über den Tag verteilt genießen. Scheibchenweise auf Augenlider, Wangen und Hals gelegt oder zerdrückt als Packung auf Gesicht und Dekolleté aufgetragen dagegen beleben und erfrischen Erdbeeren die Haut und machen sie glatt und geschmeidig. Zu Napoleons Zeiten soll eine gewisse Madame Taillien aus diesem Grund sogar regelmäßig in 20 Pfund zu Saft zerstoßenen Erdbeeren gebadet haben.
Geschichte: die Urbeere
Mensch und Erdbeere kennen sich, wie archäologische Funde belegen, bereits seit der Steinzeit. Zumindest in kleinerem Rahmen: Die nur fingernagelgroße, wild wachsende europäische Walderdbeere (botanisch: »fragaria vesca«) war uns schon früh eine beliebte Nascherei, die man sich gern im Vorbeigehen in den Mund steckte.
In der Antike galt das Früchtchen dann eher als Gesundheits- denn als Genussbeere. Die alten Römer meinten sogar, dass Erdbeeren von lockeren Zähnen bis zur Gastritis so ziemlich alles heilen könnten, was einem je an körperlichen Widrigkeiten widerfahren kann.
Im Mittelalter wurde die Walderdbeere in den Klostergärten zwar im großen Stil kultiviert – aber sie blieb dennoch konsequent bei ihrem winzigen Format.
Die deutlich üppigeren Erdbeerformate, die wir uns heute auf der Zunge zergehen lassen, sind jedoch keine direkten Nachfahren der heimischen Walderdbeere. Sie verdanken ihre Existenz vielmehr einer äußerst fruchtbaren internationalen Kooperation aus dem 18. Jahrhundert:
Im Jahre 1714 brachte der französische Fregattenkapitän und Hobbybotaniker Amédée François Frezier von seinen Südamerikafahrten eine bemerkenswert große Erdbeerfrucht nach Europa: die fast hühnereigroße »Schöne von Chile«. Doch die Schöne hatte ihre Tücken. Denn diese (zweihäusige) Pflanze setzte in kühleren Gefilden kaum Früchte an, und sie war auch nicht gegen die Winterkälte resistent. Kreuzungsversuche mit der witterungsbeständigeren heimischen Walderdbeere schlugen jedoch fehl.
Da kamen bretonische Bauern auf die nachhaltig köstliche Idee, die »Schöne von Chile« gemeinsam mit der »Amerikanischen Scharlacherdbeere« anzubauen, von der französische Siedler in Kanada und englische Siedler in Virginia ungefähr zeitgleich verschiedene Varianten entdeckt und nach Europa gebracht hatten.
So entstand die Stammmutter all unserer heutigen (weit über tausend) Erdbeersorten, die »fragaria ananassa« oder »Ananas-Erdbeere«. Diesen Namen erhielt die kleine Rote, weil sie von der Form und vom Duft her an die große Gelbe erinnerte. Der Erfolg war durchschlagend: In der Hochsaison verließen von 1750 an täglich rund 20 Schiffe mit frischen Erdbeeren den Hafen von Brest - und 1840 begann man auch in Deutschland mit dem erwerbsmäßigen Anbau der neuen Beere.
Küchentipps: die sehr sensible Beere
Die »fragaria ananassa« ist ein äußerst zartes Früchtchen, das gefühlvoll behandelt werden will.
- Transportieren Sie Erdbeeren behutsam ganz oben im Einkaufskorb, denn sie sind äußerst druckempfindlich.
- Brausen Sie sie nie unter einem harten Wasserstrahl ab. Lieber nur kurz in kaltes Wasser tauchen und dann gut abtropfen lassen oder vorsichtig trocken tupfen.
- Nie längere Zeit im Wasser lassen, sonst quellen sie auf und verlieren an Aroma.
- Stiele und Blätter erst nach dem Waschen entfernen, da sonst das Aroma und die Vitamine verwässern.
- Zerkleinern und zuckern Sie Erdbeeren erst kurz vor dem Servieren, weil Zucker ihnen den Saft entzieht und sie weich und schlaff macht.
- In den Obstsalat werden Erdbeeren erst ganz zum Schluss gegeben.
Erdbeeren, die Sie nicht gleich verzehren, bewahren Sie am besten ungewaschen auf einem Teller mit Küchenkrepp ausgebreitet im Kühlschrank auf. Wenn Sie sich einen kleinen Erdbeervorrat einfrieren wollen, empfiehlt es sich, die gewaschenen und geputzten Früchte zunächst auf Alufolie, einem Backblech oder einem kleinen Tablett verteilt einzeln vorzufrieren, bis sie hart geworden sind. Erst dann kommen sie zusammen in einer Schale oder einem Beutel in die Tiefkühltruhe. Das hat den Vorteil, dass die Beeren nicht zusammenkleben und einzeln entnommen werden können.
Kultur und Magie: die Liebesbeere
In der »Hexenküchenmagie« wird die wie ein kleines Herz geformte Erdbeere natürlich mit der Absicht eingesetzt, Liebe und Wohlstand herbeizuzaubern.
Ein bisschen zaubern - das können Sie doch auch! Denken Sie einfach schon beim Pflücken oder beim Kauf und bei der Zubereitung, vor allem aber beim genüsslichen Verzehr so intensiv und bilderreich wie möglich an das, was Sie sich wirklich von ganzem Herzen wünschen. Und dann? Na, Sie werden schon sehen!
»Strawberries, cherries and an angel's kiss in spring ... My summer wine is really made from all these things ...« So zwitscherten zunächst Nancy Sinatra und Lee Hazlewood und später dann Natalie Avelon und Ville Valo im Radio. In der Tat. Rot ist die Liebe. Und wenn der Spargel die Frühlingsgefühle weckt, dann halten die Erdbeeren sie den ganzen Sommer hindurch lebendig! Man sagt jedenfalls, dass diese verführerischen Früchtchen aus dem Garten der Venus persönlich stammen ... Sie sollen also bestens geeignet sein, die Sinnlichkeit und die Liebeslust zu steigern.
Für den maximalen Erfolg empfiehlt der Volksmund sein ganz spezielles Rezept: »Wer Erdbeeren mit Pfeffer isst, wird stark wie ein Hengst!« Erdbeeren mit Pfeffer gewürzt? Das klingt schon etwas gewöhnungsbedürftig. Doch auf diese Weise werden die frischen Früchtchen von Feinschmeckern tatsächlich gern einmal genossen. Selbst wenn Sie nicht unbedingt gleich »zum Hengst werden« wollen: Mit reichlich Vitaminen und wichtigen Mineralstoffen steigern Erdbeeren auf jeden Fall die Vitalität!
Anbau: die Saisonbeere
Die ewigen Erdbeerfelder, die »Strawberry Fields Forever«, von denen die Beatles 1967 sangen, sind leider nur ein schöner Traum; denn traditionell dauert die Erdbeersaison ja lediglich von Juni bis Juli.
Heute aber genießen wir die herzigen roten Früchtchen in regional gepflückter, voll ausgereift geernteter Bestform immerhin schon von Ende April bis in den Oktober hinein. Wie kommt das?
Zum Teil geht diese Saisonverlängerung fürs Erdbeerglück auf die heutige Sortenvielfalt zurück. Jahrhundertelangen Züchtungen verdanken wir nun sehr »frühreife Früchtchen«, aber auch erst recht spät genussreife oder mehrfach im Jahr tragende Arten. Um uns so lange wie möglich mit genau der richtigen Menge Erdbeeren zu versorgen, also weder Engpässe zu schaffen noch eine Überfülle verderben zu lassen, dosieren die Obstbauern den Ernteertrag zugleich aber auch mit allerlei gut durchdachten Tricks: Erdbeeren, die früh reif sein sollen, werden unter Folie angebaut, während man Erdbeerfelder, auf denen erst im August geerntet werden soll, mit Stroh abdeckt, um die Sonne (und damit eine zu frühe Reife) abzuschirmen. Zu den modernen Verzögerungstaktiken gehört es aber auch, die Erdbeerpflanzen im Kühlhaus bei Minustemperaturen von rund zwei Grad Celsius nur ganz gemächlich heranwachsen zu lassen. Solche Bauernschläue hat dafür gesorgt, dass in Deutschland heute viel mehr Erdbeeren aus heimischer Produktion als früher auf dem Markt sind – und ortsfrisch genossen werden können.
Botanik: die Basisbeere?
Erdbeeren gehören zu den Staudenpflanzen. Ihre Wurzeln überwintern also im Boden und tragen auch im Folgejahr wieder Früchte. Angebaut werden sie normalerweise in Reihen, die einen Abstand von rund einem Meter zueinander haben, oder auch auf Dämmen. Gegen Ende der Blütezeit wird Stroh zwischen die Reihen gelegt, damit die Früchte nicht verschmutzen. Die recht mühselige Erdbeerernte - von Hand gepflückt, direkt in die Verkaufsschalen – wird in Deutschland zumeist von Saisonarbeitern aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern übernommen.
Ihr bodenständiger Standort gab der Erdbeere den Namen; doch wenn Sie einen Botaniker fragen, dann wird der sagen, dass Erdbeeren eigentlich überhaupt nicht zur Gattung der Beerenpflanzen gehören, sondern eine Sammelnussfrucht sind. Auch Him-, Brom-, Holunder- und Wacholderbeere schmücken sich - streng botanisch gesehen - mit einem falschen Gattungsnamen, während Stachel-, Johannis-, Heidel- und Preiselbeere diesen vollkommen zu Recht tragen. Doch hätten Sie gedacht, dass umgekehrt Weintrauben, Kiwis, Bananen, Zitronen, Orangen, Tomaten, Paprika, Gurken, Kürbisse, Melonen, Auberginen und Avocados von den Pflanzenkundlern allesamt als Beeren eingestuft werden?
Die Sprachwissenschaft trägt dann aber doch noch zur Beeren-Ehrenrettung des Erdfrüchtchens bei. Hier nämlich wird vermutet, dass unser heutiges Wort Beere letztendlich mit dem alten irischen Wort »basc« verwandt ist, das so viel wie »rot« bedeutet. Und wenn hier einer so richtig leuchtend rot ist – dann ja wohl die Erdbeere!
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Die hier ausführlich gewürdigten »Herzchen des Sommers« haben eine ganz besondere Bedeutung für mich: In der Erstausgabe des mein coop magazins im Juni 2004 war die von mir vorgestellte Erdbeere die allerallererste »Frucht des Monats«; und sie eröffnete dann einen langen Reigen von allmonatlichen Obst- und Gemüse-Portraits, die ich rund zehn Jahre lang für diese (später »Für Sie geerntet« genannte) Rubrik verfasst habe.
Allein zum Thema Erdbeere habe ich in dieser Zeit insgesamt acht Artikelvarianten geschrieben. Die interessantesten Passagen aus diesem Recherche- und Gedankenfundus habe ich in dem kleinen »Best of«-Text oben neu für Sie zusammengestellt.
Fotos: © Michaela Mundt sowie Albrecht E. Arnold / pixelio.de (Walderdbeere), uschi dreiucker // pixelio.de (Erdbeerfeld mit Vogelscheuchen) und berggeist007 / pixelio.de (Erdbeerblüte). Vielen Dank dafür!