Eine tolle Knolle!

Macht auch für Sie erst die Kartoffel die Mahlzeit so richtig rund? Historisches und Kurioses zum deutschen Grundnahrungsmittel Nr.1.

   

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Papas trüffelige Erdäpfel

Kartoffel-Geschichte und Kartoffel-Geschichtchen


»Kartoffeln in der Früh,
Zu Mittags in der Brüh,
Des Abends mitsamt dem Kleid,
Kartoffeln in Ewigkeit.«
   

Mit diesen Worten ehrt ein alter Spruch aus dem Thüringer Wald das nahrhafte Erdgemüse, das heute - nach Reis, Weizen und Mais - als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Welt gilt. In einem Schüleraufsatz wurde vor einigen Jahren definitiv klargestellt: »Die Aufgabe der Kartoffel ist, dass man sie essen kann.« Doch das ist den Menschen längst nicht immer so klar bewusst gewesen ...

   

   

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Fruchtbare Ursprünge

Die Heimat der Kartoffel ist wahrscheinlich die Gegend des heutigen Peru und Bolivien. Archäologische Funde belegen, dass sie spätestens im dritten Jahrhundert nach Christi als Nutzpflanze angebaut wurde. Da sie auch im rauen Klima der Anden gut gedeiht, zählt sie hier noch heute zu den wichtigsten Nahrungsmitteln. Die Kartoffel wurde von den Indios aber auch als Symbol der Fruchtbarkeit verehrt. Es gab sogar eine spezielle Kartoffelgöttin, die Axomama.

   

Sie suchten nach Gold und fanden ... die Kartoffel!

In Europa dagegen wird die Kartoffel erst seit gut 200 Jahren im großen Stil angebaut. Wie kam sie überhaupt zu uns? Auf den Spuren von Christoph Kolumbus machten sich spanische Konquistadoren um 1525 auf die Suche nach »El Dorado«, dem sagenumwobenen Goldland der Inka. Und dabei entdeckten sie, als sie hungrig die Hütten der Einheimischen durchforsteten, einen ganz anderen Schatz: Die nahrhafte Bodenfrucht, die die Eingeborenen »papas« nannten (was einfach nur »Knolle« heißt). Auf spanisch wurde aus dem indianischen Urkartoffelnamen dann »patata«, woraus sich auch die englische »potato« ableitet. Vielfach wurden Kartoffeln aber auch für Trüffel gehalten. Und daraus entwickelte sich - vom spanischen »tartuffuli« über das französische »cartoufle« - schließlich die deutsche »Kartoffel«, die in Anlehnung an vertraute einheimische Früchte früher oft auch »Erdapfel« oder »Bodenbirne« genannt wurde.

Die offizielle Ankunft der Kartoffel auf unserem Kontinent wird gewöhnlich auf das Jahr 1565 datiert. Damals erhielt der spanische König Philipp II. von den zurückgekehrten Eroberern ein Schatzkästchen mit indianischen Raritäten, das unter anderem auch einige Kartoffelknollen enthielt.

   

   

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Ein hübscher Haarschmuck!

Zunächst landete die Kartoffel in Europa jedoch nicht im Kochtopf, sondern in den höfischen Ziergärten. Denn sie wurde vor allem wegen ihrer wunderschönen Blüten geschätzt.

Man erzählt, dass die französische Königin Marie Antoinette (1755-1793) sich bei festlichen Gelegenheiten das Haar mit den seltenen, exotischen Kartoffelblüten schmückte. Die feinen Ladys im kühlen England dagegen trugen an kalten Wintertagen gern heiße, in der Schale geröstete Kartoffeln in ihrem Muff, um sich daran die Hände zu wärmen. Dabei hatte der Schweizer Botaniker Caspar Bauhin (1560-1664) doch schon längst festgelegt, dass es sich bei der Kartoffel um ein »solanum tuberosum esculentum« handelt - was so viel heißt wie: »Essbarer knolliger Nachtschatten«! In diesem Sinne hatten bereits die spanischen Eroberer und vor allem dann englische Seefahrer wie Sir Francis Drake die Kartoffel als idealen Bordproviant entdeckt. Denn sie hält sich gut, und ihr hoher Vitamin-C-Gehalt schützt effektiv vor der damals sehr verbreiteten Mangelkrankheit Skorbut. In Irland, wo es ständig Hungersnöte gab, setzte sich die Kartoffel bereits um 1600 herum als Nahrungs- und Futtermittel durch.

   

   

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Doch was der Bauer nicht kennt ...

Den meisten Europäern aber waren Kartoffeln zunächst sehr suspekt. Zahllose Vorurteile und viel Aberglauben umrankten das fremde Pflänzchen. Sie galt als »Speichel des Teufels«, als giftiges Nachtschattengewächs, das geistigen und sittlichen Niedergang, Aussatz, Schwindsucht und viele weitere Krankheiten mit sich bringt. Teils ging dieses üble Image tatsächlich auf schlechte Erfahrungen zurück. Denn die Kartoffelpflanze wurde ja ohne »Gebrauchsanweisung« über den großen Teich geliefert - und daher oft völlig falsch verzehrt: Roh oder unreif etwa, oder man aß statt der nahrhaften Knolle die oberirdisch wachsenden grünen Beeren der Staude, deren hoher Solaningehalt tatsächlich zu Vergiftungen führte.

Zudem hätte man sich zugunsten des Kartoffelanbaus von der traditionellen Dreifelderwirtschaft verabschieden und auch im dritten Jahr das bisher brach liegende Land beackern müssen. Also wollten die dummen Bauern lieber keine dicken Kartoffeln.

   

Altpreußische Kartoffelmaßnahmen

Friedrich der Große von Preußen war dennoch wild entschlossen, seinem Volk die Kartoffel schmackhaft zu machen. Schließlich erkannte er in ihr die entscheidende Abhilfe gegen die damals sehr häufigen Hungersnöte - und nebenbei auch eine ausgezeichnete Verpflegung fürs Militär.

Einer Anekdote zur Folge griff der »Alte Fritz« zu diesem Zweck zu einer List: Er ließ Kartoffelfelder anlegen, die dann (scheinbar!) streng von Soldaten bewacht wurden. Prompt dachten die Preußen, dass diese Knollen etwas ganz Besonderes wären - und machten sich frohgemut daran, sie zu stehlen und selber anzubauen.

Historisch belegt ist allerdings nur, dass Friedrich II. den Kartoffelanbau 1756 einfach strikt per Dekret befahl. Und damit begann der Siegeszug der Kartoffel als Deutschlands Volksnahrungsmittel Nummer eins.

   

   

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Fisch aus Chips

Für Spaßvogel Heinz Erhardt verstand es sich von selbst, dass der »Alte Fritz« auch die heute so heiß geliebten Kartoffelstäbchen erfunden hat: »Drum heißen sie auch - das ist kein Witz - Pommes Fritz!«

Wahrscheinlich aber gebührt die Ehre doch eher den Belgiern. Denn diese kreierten den Snack-Klassiker wohl in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts - und zwar als Sprottenersatz! In einem Reisebericht aus dem Jahr 1781 jedenfalls ist überliefert, dass die einfachen Leute an der Maas ihren Speiseplan gern mit kleinen, frittieren Fischen bereicherten. Im Winter aber, wenn die Gewässer zufroren und das Angeln unmöglich war, schnitten sie ersatzweise Kartoffeln in Fischform und frittieren dann diese.

Pommes Frites gehören zu den sogenannten »Veredelungsprodukten«, die auf Kartoffelbasis hergestellt werden. Und davon gibt es noch viele mehr; zum Beispiel Tiefkühlware, vorgekochte Kartoffeln in Dosen, Trockenpüree und Fertigsuppen, Kroketten und Klöße, Chips und andere Knabbereien. Allen gemeinsam ist, dass sie einen besonders schnellen und bequemen Kartoffelgenuss ermöglichen. Seit den 1950er Jahren hat sich die »Schnellkartoffel« ihren festen Platz im Vorratsschrank erobert.

Ehrgeizigere Köchinnen und Köche dagegen wagen sich selbst an die Veredelungsmaßnahmen heran, mit denen sich die Kartoffel früher bei Hofe empfahl: An die »Pommes duchesse« zum Beispiel, die Herzogin-Kartoffeln (püriert mit Butter, Muskat und Eigelb verrührt, auf das Backblech gespritzt und goldgelb gebacken) oder an die »Pommes dauphine« (Krokettenmasse und Brandteig gemischt, als kleine Birnen geformt, paniert und dann in Fett ausgebacken). Wer dagegen den Klassiker der kalten Kartoffelküche bevorzugt, der sollte unbedingt den folgenden Küchentipp aus einem Schüleraufsatz beherzigen: »Für Kartoffelsalat muss man die Kartoffel erst nackt machen.«

   

   

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Starkmacher und Schlankmacher zugleich

Gehaltvoller als die Schnellkartoffel ist auf jeden Fall jedoch die gute alte Pellkartoffel – und am allergesündesten und figurfreundlichsten ist die Kartoffel dann, wenn man sie möglichst schonend zubereitet (also dämpft, dünstet oder backt) und mit der Schale verzehrt. Durch langes Garen, Warmhalten oder Wässern gehen nämlich wichtige Nährstoffe verloren. Welche Nährstoffe das sind, erläutert uns eine weitere Stilblüte aus dem Klassenzimmer: »Die Kartoffel besteht aus Stärke und Kraft.«

In der Tat. Die tolle Knolle versorgt uns mit einer Fülle an energiespendenden Kohlenhydraten, die lange satt, aber nicht dick machen. Man vermutet sogar, dass die kartoffelbetonte Nahrung, die wir seit rund 200 Jahren zu uns nehmen, dafür verantwortlich ist, dass die Menschen heute im Durchschnitt deutlich größer werden als in früheren Zeiten. Sie passen jedenfalls kaum noch in eine mittelalterliche Ritterrüstung.

   

   

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Kartoffel ist nicht einfach Kartoffel!

Heute hat jede Kartoffelsorte einen eigenen Namen. Manche davon, etwa »Ackersegen«, »Bodenkraft« oder »Erntestolz«, singen ihr eigenes Loblied, und in der DDR zwitscherten früher die Kartoffelvögel »Amsel«, »Drossel«, »Fink« und co.

Weibliche Vornamen sind bei neuen Kartoffelkreationen jedoch ganz besonders beliebt. Hier und da mag das vielleicht auf die Herzensdame des Züchters verweisen, aber vor allem verrät »Nicola« uns, dass sie ganz andere Kocheigenschaften hat als »Karlena«:

Festkochende Sorten wie »Nicola«, »Sieglinde« oder »Renate« erkennen Sie zusätzlich an der grünen Farbe des Etiketts oder der Sackbanderole. Weil sie beim Kochen ihre Form behalten und sich gut schneiden lassen, sind festkochende Kartoffeln ideal für Kartoffelsalat, schmorfeste Salz-, Pell- und Bratkartoffeln oder Gratin.

»Christa« oder »Leyla« dagegen gehören zu den vorwiegend festkochenden Sorten, die rote Etiketten oder Banderolen zieren. Sie eigenen sich ebenfalls für Salz-, Pell- und Bratkartoffeln und lassen sich besonders gut zu Grillkartoffeln, Pommes Frites, Puffern, Röstis und Aufläufen verarbeiten.

Mehligkochende Kartoffeln wie »Bintje« oder »Karlena« schließlich zerfallen wegen ihres hohen Stärkegehalts beim Kochen fast völlig und verbinden sich gut mit Milch und anderen Flüssigkeiten. Sie sind daher ideal für Pürees oder Klöße. Man erkennt sie an der blauen Etikettierung.

   


Vielen Dank für Ihr Interesse!

Der Text, den Sie gerade gelesen haben, ist die überarbeitete und ergänzte Variante eines Beitrags für das mein coop magazin, der im Mai 2005 als Titelthema erschienen ist. Er wurde im Auftrag der Kieler Werbeagentur WortBildTon GmbH verfasst.

Ich widme die in dieser Form exklusiv auf dr-michaela-mundt.de veröffentlichte Version meiner lieben Oma Gerti und meiner lieben Großtante Meti, die sicher auch noch von ihren Himmelswölkchen aus viel Sinn fürs Nahrhafte haben!

Fotos: © Michaela Mundt sowie Sybille und Kurt Mader / pixelio.de (Machu Picchu), Joujou / pixelio.de (Kartoffelblüte),sparkie / pixelio.de (Kartoffelpflanze auf dem Feld), Rainer Sturm / pixelio.de (Pommes Frites) und Michael Dettmer / pixelio.de (Kartoffelherz). Vielen Dank!

Die Quelle, nach der die Schüleraufsätze zitiert wurden, existiert heute leider nicht mehr im Internet.

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